Unternehmensentwicklung durch Lokalisierung - Teil 2

10. Mai 2022
Unternehmensentwicklung durch Lokalisierung - Teil 2
Dr. Donald A. DePalma, Chief Research Officer, CSA Research
Dr. Donald A. DePalma
Chief Research Officer, CSA Research

Dies ist der zweite Teil der Überlegungen von Don DePalma zum Thema „Unternehmensentwicklung durch Lokalisierung". Den ersten Teil finden Sie hier.

Sehen wir uns vier dieser anspruchsvollen Anforderungen an, die von den Enterprise-Planern, mit denen ich zusammengearbeitet habe, als RAS2 bezeichnet wurden: Reliability (Zuverlässigkeit), Availability (Verfügbarkeit), Scalability (Skalierbarkeit) und Security (Sicherheit).

  1. Zuverlässigkeit. Diese Anforderung scheint recht einfach, aber nicht jedes Übersetzungs- oder Lokalisierungstool kann sie umsetzen. Zuverlässigkeit heißt, dass Systeme richtig arbeiten und entsprechend den angegebenen Spezifikationen funktionieren, auch wenn Störungen auftreten, die zu Unterbrechungen führen könnten. Störungen können durch Software, Hardware, Netzwerkprobleme und menschliches Handeln verursacht werden. Wenn Probleme auftreten, müssen Transaktionen auf einen bekannten, früheren oder behebbaren Status zurückgesetzt werden können. Das ist in der Welt der Lokalisierung, in der Remote-Teams aus internen Arbeitskräften und Freiberuflern in verteilten Workflows und verteilten Softwaresystemen arbeiten, umso wichtiger. Gibt es einen technischen Support, wenn alles andere versagt?

    Ohne Garantien für zuverlässige Abläufe ist die Lokalisierung von Benutzererlebnissen tendenziell weniger reproduzierbar, kostspieliger und anfällig für inkonsistente Ergebnisse. Hier möchte ich darauf hinweisen, dass dies einer der größten Risikofaktoren bei unbearbeiteter maschineller Übersetzung ist: Obwohl diese sich deutlich verbessert hat, ist sie immer noch nicht zuverlässig genug, um ihr in risikoreichen Situationen den Ruf Ihrer Marke anzuvertrauen.

  2. Verfügbarkeit. Übersetzungsprozesse und -tools müssen Schreib- und Lesezugriff auf Inhaltsquellen und Datenspeicher haben, die in die verschiedenen Storys einer Organisation einfließen. Sie müssen in der Lage sein, die Wirksamkeit der lokalisierten Erlebnisse zu überwachen und zu messen und mit Marketing- und Geschäftsanalysesoftware wie Web-Tracking, Lead Scoring und Kampagnen-Tracking sowie SEO zu arbeiten. Jedes dieser Systeme zur Kundenbindung interagiert mit Übersetzungsworkflows, die ebenso tief und umfassend sein können. In einem Unternehmen kann dies die Integration in Dutzende oder Hunderte von kommerziellen und speziell entwickelten Systemen bedeuten (Abbildung 3).

    Interne Lokalisierungsteams und ihre Lieferfirmen sind gefordert, in zahllosen Umgebungen zu arbeiten (in Abbildung 3 blau dargestellt), potenziell globale Inhalte aus verschiedenen betriebswirtschaftlichen Funktionen zu bearbeiten (oben als orange Rauten dargestellt) und dabei gleichzeitig in jedem Markt, in dem Sie oder Ihre Kunden Geschäfte machen, für relevante Erlebnisse zu sorgen. Blau gekennzeichnet sind Komponenten, die Übersetzungsprozesse verwalten, die Umwandlung quellsprachlicher Inhalte in zielsprachliche Erlebnisse lenken, die Verwendung von Tools wie Terminologie- und Qualitätsprüfung koordinieren und die Zusammenarbeit von Teams aus Übersetzern, Projektmanagern und QA-Experten unterstützen.
Abbildung 3: Verbindungen innerhalb des Enterprise-Technologie-Stacks

Abbildung 3: Verbindungen innerhalb des Enterprise-Technologie-Stacks

  1. Skalierbarkeit. Bei dieser Enterprise-Anforderung geht es darum, dass die Software auch dann noch gut funktioniert, wenn die Transaktionslast steigt. Was passiert beispielsweise, wenn plötzlich zehnmal so viele Nutzer auf ein Translation Management System, ein Translation Memory oder eine Terminologiedatenbank zugreifen, um an einem Update in sehr vielen Sprachen zu arbeiten? Funktioniert alles weiterhin gut oder kommt es durch die gestiegene Zahl von Anfragen an den Cloud-Server fast zum Stillstand? Versäumnisse bei der Skalierung führen zu Zeitverlusten und möglicherweise zu deutlichen Verspätungen bei der Lieferung von Projekten.

  2. Sicherheit. Mit der steigenden Anzahl von Benutzererlebnissen, die Unternehmen in anderen Märkten anbieten, steigt die Anzahl der Beteiligten und Komponenten eines Prozesses und damit das Risiko von Sicherheitsverletzungen. Ein Übersetzer, der in einem Café mit öffentlichem WLAN arbeitet, kann unbeabsichtigt anderen Besuchern des Cafés Firmengeheimnisse, nicht freigegebenes geistiges Eigentum oder personenbezogene Daten zugänglich machen. Am anderen Ende der Sicherheitsskala stehen ausgeklügelte Versuche, in das System einzudringen und Informationen zu stehlen oder Daten nur gegen Lösegeld wieder freizugeben. In den vergangenen Jahren gab es immer mehr gezielte Cyberangriffe auf Sprachdienstleister, die zu erheblichen Datenverlusten und Unterbrechungen ihrer Betriebsabläufe führten. Wir haben auch schon erlebt, dass Geschäftsabschlüsse für Übersetzungssoftware über Wochen oder länger aufgeschoben wurden, während potenzielle Kunden die Sicherheit der angebotenen Lösungen überprüften. Noch vor wenigen Jahren wäre dies mit einer mündlichen Zusicherung erledigt gewesen.

    Das bedeutet, dass End-to-End-Sicherheit eine generelle Anforderung für die Übersetzung werden wird. Das Modell der verteilten Arbeit in der Sprachdienstleisterbranche mit seiner starken Abhängigkeit von freiberuflichen Übersetzern und Dolmetschern, Projektmanagern und Testern (auf allen Seiten des Tisches) und von allen anderen, die von zu Hause, in Cafés oder am Strand arbeiten, verschärft dieses Problem noch. Organisationen müssen Sicherheitsrichtlinien und -verfahren entwickeln, diese in Verträge mit Mitarbeitern und Freiberuflern einbinden und sie so weit wie möglich in die verwendete Content- und Übersetzungssoftware integrieren. Das kann beispielsweise über Anonymisierungstools geschehen, die identifizierende personenbezogene Daten verbergen, oder durch Zerlegen von Dokumenten, um verschiedene Sicherheitsprotokolle anzuwenden. Weitere Möglichkeiten sind die Mehrfaktorauthentifizierung und die Einforderung von Sicherheitsprotokollen wie ISO 27001 von Übersetzungslieferanten.

Der Faktor Mensch in der Übersetzungstechnologie

Die meisten Unternehmen planen, die Aufteilung der Global-Content-Funktionen zwischen Mensch und Maschine weiter auszubauen. Das bedeutet, dass zur Unterstützung der Übersetzung und Lokalisierung der enormen Mengen an Content in vielen Märkten Menschen in den Datenkreislauf einbezogen werden. Im Rahmen dieser Unternehmensentwicklung haben wir beobachtet, dass die Bedeutung von In-House-Lokalisierungsteams zunimmt, da sie zu einem integralen Bestandteil der globalen Content-Strategien und des Bereitstellungssystems ihres Unternehmens werden. 2020 haben wir einen Wendepunkt bei der Serviceerbringung ausgemacht: Die Leistungen werden zunehmend maschinen- und datengesteuert erbracht, aber unter Beteiligung von Menschen an den Stellen, wo sie für Mehrwert sorgen. Dieser Trend verheißt für Anbieter mit Expertise in Content- und Übersetzungstechnologie sowie Datenwissenschaft Gutes (Abbildung 4).

Da ihre Unternehmen ein globales Wachstum anstreben, werden diese Fachleute eine deutlichere, sichtbarere und strategischere Rolle bei dieser Transformation spielen. Sie werden die Globalisierung der Geschäftsprozesse vorantreiben und online, offline und in allen Bereichen dazwischen die nötige Reife erlangen, um weltweit erfolgreiche, multilokale Erlebnisse zu bieten. Einige waren bereits an dieser Front aktiv und ihr Fachwissen wird nun von Führungskräften und Kollegen häufiger anerkannt und nachgefragt werden.

Abbildung 4: Wendepunkt bei der Serviceerbringung

Abbildung 4: Wendepunkt bei der Serviceerbringung

Dieses wachsende Bewusstsein für die Bedeutung des Menschen eröffnet den Anbietern von Sprachtechnologie und -services ein neues Feld für die Erfassung von Metadaten, da diese Teil des allgemeinen Geschäftsvokabulars werden. Momentan gibt es nur wenige Unternehmen, die etwas mit den riesigen Mengen an Metadaten anfangen, die sie erzeugen, aus den Augen verlieren und entsorgen – häufig sind sie sich dieser Daten nicht einmal bewusst. Immer häufiger erkennen sie aber, dass sie diese Informationen brauchen, um bei der Maschinenübersetzung, der Prozessautomatisierung, der sprachübergreifenden KI und bei einer Reihe von Anwendungen in den Bereichen NLP (Natural Language Processing) und NLU (Natural Language Understanding) voranzukommen – sowohl bei schriftlichen als auch bei mündlichen Interaktionen („The Future of Language Services").

Gegenwärtig erwerben Technologien wie Entitätserkennung, Sentimentanalyse und Automated Content Enrichment multilinguale Fähigkeiten in der Regel per MT als Vermittler, wenn sie über eine Handvoll gut erforschter Sprachen (meist Englisch, Spanisch, Deutsch, Französisch oder Chinesisch) hinausgehen. Sie werden am Ende aber ihren Weg in den Business-Mainstream finden, und zwar in Form von Anwendungen, die nativ in zusätzlichen Sprachen ausgeführt und dabei mit relevanten „wilden“ Daten trainiert werden („TechStack: Automated Content Enrichment"). Erforderlich sind dafür der Zugriff auf große multilinguale Metadaten-Seen und Experten, die ihre internationalen Anforderungen kennen („Bridging the Multilingual Training Data Divide").

Die „Prime Directive": Ausweitung des Erlebnisses auf alle Kanäle

Durch Technologie der Enterprise-Klasse in Verbindung mit Menschen im Kreislauf gelingt die Umsetzung der „Prime Directive" der Lokalisierung mit zuverlässigen, sicheren Interaktionen über webbasierte Kanäle. Die Anforderung, diese Aufgabe zu unterstützen, endet nicht bei HTML. Nachdem Organisationen das Online-Erlebnis perfektioniert haben, werden sie gefordert sein, es auf alle Kanäle auszuweiten – ob Sprache, Wort oder Bild. Und da sich das Metaversum in immersiven und simulierten Realitäten der nächsten Generation manifestiert, wird ihnen die Expertise in der Omnichannel-Lokalisierungsinfrastruktur der Enterprise-Klasse auch dann einen Vorteil verschaffen, wenn es um die zuverlässige, skalierbare und sichere Bereitstellung von Erlebnissen in einer Vielzahl von Umgebungen geht.

Den ersten Teil von Don DePalmas Gedanken zur „Unternehmensentwicklung durch Lokalisierung" finden Sie hier.

Wir bedanken uns bei Don DePalma ganz herzlich, dass er seinen inspirierenden Vortrag in zwei Blogbeiträgen ausformuliert hat!

Don DePalma ist Chief Research Officer von CSA.

CSA Research, ehemals Common Sense Advisory, ist das führende unabhängige Marktforschungsunternehmen, das global tätigen Unternehmen dabei hilft, ihr globales Geschäft profitabel auszubauen und Zugang zu neuen Märkten und Kunden zu erhalten. Der Schwerpunkt liegt auf der Bereitstellung zuverlässiger Marktforschung und verifizierter Daten für die Operationalisierung, das Benchmarking, die Optimierung und die Innovation von Best Practices in den Bereichen Globalisierung, Internationalisierung, Lokalisierung, Dolmetschen und Übersetzung.

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