Kann man Risiko überhaupt managen? Oder bleibt nicht immer das berühmt-berüchtigte Restrisiko? Diesen Fragenkomplex beleuchten wir in Hinsicht auf die Übersetzungswelt.
Denn sieht man die Übersetzung als integralen Bestandteil des unternehmerischen Informationsmanagements an und damit Übersetzung, Technische Redaktion und Wissensmanagement eng miteinander verzahnt, wird auch die Dringlichkeit eines professionellen Risikomanagements klar.
Das Gabler-Wirtschaftslexikon definiert Risikomanagement als den „Umgang mit allen Risiken, die aus dem Führungsprozess und den Durchführungsprozessen in einer Unternehmung entstehen können.“ Konkretere Anhaltspunkte liefern wie so oft bei heiklen Themen Normen und Zertifizierungen. So kennt die ISO 9001 das risikobasierte Denken und Handeln, das in die Anforderungen an die Einführung, Verwirklichung, Aufrechterhaltung und fortlaufende Verbesserung des Qualitätsmanagementsystems eingebunden werden soll. Speziell für Übersetzungen gibt es die ISO 17100, die einen qualitativ hochwertigen Übersetzungsprozess garantieren soll. Abgesehen von der Frage, wie Qualität denn überhaupt definiert wird, beinhaltet die ISO 17100 keine Risikobetrachtung. Enthalten sind hauptsächlich Vorgaben, auf deren Basis die Abläufe im Büro rund um die Erstellung einer Übersetzung organisiert werden. Dabei geht es um Strukturen und Projektschritte, wie etwa die Behandlung kundenseitiger Vorgaben, Rückfragen, Überprüfung. Weiters werden Datensicherheit und Wahrung der Vertraulichkeit behandelt.
Halten wir also fest: Einerseits geht es um Prozesse und Abläufe, die es einzuhalten gilt. Andererseits gibt es den sinnvollen Konnex zum Qualitätsmanagement. Denn selbst ein perfekt und minutiös eingehaltener Prozess schützt nicht vor fehlender Qualität bzw. Fehlern.
Prozesse eines Übersetzungsprojekts
Um hier möglichst praxisnah vorzugehen, spielen wir einen typischen Prozessablauf eines Übersetzungsprojekts durch. Wird ein neues Projekt beauftragt, startet die Risikoanalyse. Die identifizierten Risiken werden dann in einer Risikoskala (z.B. mit niedrig – mittel – hoch oder quantitativ z.B. in möglicher Schadenssumme) bewertet. Generell kann Risiko dann
- vermieden, z.B. bei Auftragsannahme werden Deadlines, die nicht eingehalten werden können, neu verhandelt; gegebenenfalls wird der Auftrag abgelehnt
- vermindert, z.B. wenn etwa ein neuer Übersetzer eingesetzt wird, muss eine zusätzliche Qualitätskontrolle erfolgen oder
- in Kauf genommen werden, etwa wenn das Risiko sehr gering ist.
Wichtig bei all diesen Entscheidungen ist aber, dass sie auf den klaren Vorgaben der Unternehmensführung beruhen und die Erfahrungen und Erkenntnisse zentral gesammelt, evaluiert und zugänglich gemacht werden. Gegebenenfalls müssen sie auch in die Risikomanagementleitlinien übernommen werden. Womit sich der Regelkreis schließt.
Übersetzungsrisiko im Griff
Sind die Prozesse und das formale Risikomanagement im Griff, bleibt immer noch ein gewisses Restrisiko. Wobei allerdings nicht jede Textsorte derselben Aufmerksamkeit vonseiten des Risikomanagements bedarf. So sind etwa Anleitungen für den Betrieb gefährlicher Maschinen „riskanter“ als ein Text über die Unternehmensgeschichte für die Website. Welche Textsorten als kritisch, und welche als unkritisch eingestuft werden, ist allerdings für jedes Unternehmen unterschiedlich – hier gibt es keine allgemeinen Vorgaben.
Die Schnittpunkte zum Qualitätsmanagement liegen dabei auch klar auf der Hand. Verfügt etwa ein Unternehmen über kein funktionierendes Terminologiemanagement, ist das Risiko evident. Als Unternehmen gilt es nun wiederum, das Risiko zu managen – oder noch besser zu eliminieren, indem man Terminologiemanagement einführt.